10 Stilfragen an… Knigge-Trainer Clemens Graf von Hoyos

Schon als Kind fiel Clemens Graf von Hoyos mit seinen außergewöhnlich guten Manieren auf. Seine Grundschullehrerin bat ihn entsprechend, der gesamten Klasse seine Umgangsformen etwas näher zu bringen. Mittlerweile ist Clemens ein sehr gefragter Trainer und Berater für zeitgemäße Umgangsformen und Business-Etikette.

Zu seiner Klientel gehören prominente Persönlichkeiten wie auch Universitäten, Ministerien und DAX-Unternehmen. Deutschlands größte Medien berichten regelmäßig über den jungen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen-Knigge-Gesellschaft.

1. Was bedeutet für Dich guter Stil?

Guter Stil hat zunächst nicht unbedingt etwas mit Kleidung zu tun. Guter Stil zeigt sich vielmehr im Umgang mit seinen Mitmenschen und noch viel mehr in unangenehmen Situationen. Wie löse ich knifflige zwischenmenschliche Situationen; bin und bleibe ich auch in unangenehmen Lagen souverän; bin ich stets ein achtsamer Zuhörer und angenehm-unterhaltsamer Gesprächspartner?! Die Kleidung kann allerdings als eine nach außen verlängerte Geisteshaltung gewertet werden. Mit seinem Outfit drückt man schließlich Respekt gegenüber sich selbst, gegenüber seinem Umfeld, aber auch gegenüber seiner Arbeit aus.

2. Woher speist Du Dein Wissen über die richtige Etikette?

Tatsächlich habe ich ein solides Fundament dank der Erziehung durch meine Eltern und Großeltern. Nachdem ich aber bereits während meiner gesamten Schul- und Wehrdienstzeit als „Knigge-Experte“ herhalten musste (Seitenscheitel, stets mit Hemd und einem doch außergewöhnlichen Nachnamen „Graf von Hoyos Freiherr zu Stichsenstein“), habe ich mich – auch aus eigenem Interesse – bereits als Jugendlicher mit entsprechender Literatur beschäftigt. Inzwischen habe ich knapp 250 Bücher gelesen, die sich mit soziopsychologischen, humanistisch-philosophischen und Etikette-Themen beschäftigen. Das früheste Werk dürfte 2.500 Jahre alt sein, das jüngste ist aus dem Jahr 2015 von einer Harvard-Professorin. Hinzu kommt, dass ich immer wieder an Veranstaltungen teilnehme, bei denen Vorstände, Adel und Diplomaten sich ein Stelldichein geben. Da kann man als aufmerksamer Beobachter viel lernen!

3. Wer es zuhause verpasst hat: Lässt sich Benehmen wirklich nachträglich aneignen?

Ich bin fest davon überzeugt, dass man in Benimmfragen nicht nur sensibilisiert, sondern auch befähigt werden kann – selbst, wenn man es zuhause nicht gelernt hat. Wer über einen Funken Empathie und Fingerspitzengefühl verfügt und bereit ist, an sich zu arbeiten, der kann das auf jeden Fall lernen. Letztendlich lässt sich gutes Benehmen immer auf vier Grundregeln zurückführen.

4. Ist der richtige Stil im Berufs- und Privatleben gleichermaßen wichtig?

Sagen wir mal so: Was daheim hinter verschlossenen Türen stattfindet, geht niemanden etwas an. Wenn man also gerne in Unterwäsche auf dem Sessel vor dem Fernseher seine Pizza aus dem Karton (fr)isst, dann ist das eine Privatsache. Sobald man sich allerdings vor die Haustüre wagt, sollte ein gewisses Niveau schon gegeben sein. Schließlich ist man als Mitarbeiter auch immer Repräsentant eines Unternehmens. Selbst wenn man privat unterwegs ist, kann man zufällig Kollegen, Vorgesetzten, oder Kunden über den Weg laufen. Gute Umgangsformen – und damit auch die Kleidung – sollten daher zumindest immer anlass- und adressatengerecht sein.

Knigge-Experte Clemens Graf von Hoyos in Aktion

 

5. Welchen Einfluss haben Äußerlichkeiten wie Kleidung auf den stilvollen Auftritt?

Der Mensch reagiert stark auf visuelle Reize. Das Sehen ist bei einer persönlichen Begegnung meist der erste Filter und hilft uns, einen Menschen und seine Persönlichkeit einzuordnen. Dieses Schubladendenken ist übrigens nichts Schlechtes – es vereinfacht unser Leben in einer hochkomplexen Welt und ist eine Art Selbstschutz (Freund oder Feind?). Es gibt zahlreiche Studien, die besagen, dass wir uns binnen einer Zehntelsekunde ein Urteil über jemanden gebildet haben, und dass der Erfolg des ersten Eindrucks zu 55 % allein auf der äußeren Erscheinung beruht. Folglich lässt sich sagen, dass das Outfit schon einen bedeutenden Einfluss hat, doch bleibt ein Esel mit einem goldenen Sattel immer noch ein Esel. Ohne Persönlichkeit, fachliches Knowhow und handwerkliches Können vermag auch nicht der feinste Zwirn über mangelnde Kompetenz hinwegzutäuschen.

6. Gibt es einen anerkannten guten Stil, den man auch international anwenden kann?

Es muss nicht immer der Anzug mit Krawatte bzw. das Kostüm oder der Hosenanzug für die Frau sein – das dürft sich bereits rumgesprochen haben. Doch wissen heutzutage nur noch die Wenigsten, wie ein Anzug richtig sitzt und welche kleinen Details einen stilvollen Eindruck erwecken. Was jedoch national wie international als angemessen gilt und völlig ohne Vorkenntnisse funktioniert: aufrecht dastehen, stets freundlich lächeln und immer höflich Bitte und Danke sagen. Das kommt überall gut an!

7. Mal ganz konkret: Wie sollten die Beteiligten reagieren, wenn jemand in der Runde niest?

Es rankt sich so viel Halbwissen um das Niesen. Wichtig zu wissen: Schulbuchmäßig sagt man eigentlich weder Gesundheit noch entschuldigt man sich. Das hat verschiedene Gründe. Unter anderem geschichtliche und man möchte nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf den Niesenden lenken. Aber gerade für solch alltägliche und nicht eindeutig zu beantwortende Fragen (aufgrund der Unterschiede zwischen Praxis und Theorie) gibt es spannende Strategien, mit denen man mögliche Fettnäpfchen sicher vermeidet.

8. Nochmals konkret: Hält der Mann der Frau heutzutage – idealerweise – noch die Tür auf?

Der Mann kann mit drei Gesten zeigen, dass er ein moderner Gentleman der alten Schule ist. Das betrifft das Türaufhalten, den Mantel abnehmen und den Stuhl anbieten. Allerdings darf man heute vermutlich froh sein, wenn uns überhaupt noch jemand mit solchen Gesten der Höflichkeit überrascht – und dann spielt es keine Rolle, wer wem die Türe aufhält.

9. Welche (vermeintlichen) Höflichkeitsformen findest Du (ansonsten) heutzutage übertrieben?

Mich stört dogmatischer Formalismus oder Höflichkeit, die manipulativ eingesetzt wird. Ganz furchtbar finde ich auch Floskeln wie „Müller, angenehm!“. Wo bleiben da Witz und Esprit?

10. Wo lässt selbst ein renommierter Stilexperte wie Du mal die guten Sitten beiseite?

An mich wird seitens der Familie und der Freunde meist ein sehr hoher Maßstab angelegt – nicht zuletzt um mich ein bisschen aufzuziehen. Da reicht schon die kleinste Unachtsamkeit meinerseits um mit „Also Mr. Knigge, tut man denn so was?“ getadelt zu werden. Aber es ist schwierig, aus seiner Haut zu schlüpfen.

Vielen Dank, Clemens!

Auch neugierig geworden? Mehr über Clemens Graf von Hoyos könnt ihr hier erfahren: www.vonhoyos.de

Bildquelle: Clemens Graf von Hoyos

 

4 Comments

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  1. 3
    H.C. Hufmeister

    Ich bin beruflich häufig mit Geldadel und Celebrities in Kontakt – und würde mir sehr wünschen, daß diese mal ein Knigge-Seminar besuchen würden! Es ist doch erschütternd, daß manche Menschen aus den genannten Kreisen meinten, Geld würde gutes Benehmen ersetzen können: „ein Esel mit einem goldenen Sattel [ist] immer noch ein Esel“ – das trifft es wie die Faust aufs Auge. Ein schönes Interview, lieber Herr Graf von Hoyos & liebe YouJoy-Redaktion! Weiter so!

  2. 4
    Heidi Lotter

    Solche Seminare finde ich super.Aber leider wurden u werden diese Kniggeregeln auch benutzt um Menschen von vielen Sachen fernzuhalten und Sie als dumm darzustellen.

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